Unsere Sinne - Unser Tor zur Welt
Riechen
Er bringt uns Genuss oder Naserümpfen, warnt vor Gefahren und hilft dem Verlieben auf die Sprünge: Unser Geruchssinn punktet mit seiner Live-Schaltung ins Gefühlszentrum.
Das Riechen wieder bewusst entdecken: Warum es sich lohnt, die Welt mit der Nase wahrzunehmen, entdecken wir spätestens bei einem Gang durch einen Gewürzgarten oder beim „Erriechen“ exotischer Sommerblüten.
Auf Schnupperkurs
Bestimmt kennen Sie das auch: Man läuft an einer Bäckerei vorbei, hat den Duft frischer Krapfen in der Nase – und fühlt sich urplötzlich in die Kindheit zurückversetzt. Sieht sich wieder wie vor vielen Jahren in Omas Küche stehen und erinnert sich genau, wie der leckere Schmalzteig im heißen Öl brutzelte und bräunte. Kein anderer Sinn als der Riechsinn vermag es, so schnell ein vergessen geglaubtes Gefühl wachzukitzeln, wissen Forscher. Das liegt daran, dass die geruchliche Wahrnehmung direkt mit Hirnregionen verknüpft ist, in denen Emotionen und Erinnerungen verarbeitet werden. Riechsignale müssen nicht wie visuelle oder akustische Eindrücke erst umständlich entschlüsselt werden – sie zielen direkt auf das Gehirn.
Mix der Moleküle
Aber ganz von vorne: Zunächst mal müssen ja Geruchsinformationen in unsere Nase hineingelangen. Das passiert bei jedem Einatmen, wo wir mit dem Luftstrom ständig unterschiedlichste Duftmoleküle von köstlich bis ekelerregend aufnehmen.
Diese kleinen Teilchen treffen auf Riechzellen in der Nasenhöhle. Jede einzelne Riechzelle wiederum besitzt rund 350 verschiedene Rezeptortypen. Ein eintreffender chemischer Duftreiz wird also erst mal registriert, dann in einen elektrischen Impuls umgewandelt und über die Riechfasern, vergleichbar mit einem Stromkabel, ins Gehirn geleitet. Dort dient der Riechkolben als eine Art Mischpult: Dieses Zentrum an der vorderen Basis des Gehirns setzt einzelne Geruchskomponenten zusammen. Bis zu 10.000 Kombinationen kann der menschliche Riechsinn unterscheiden. Und obwohl diese Zahl recht beeindruckend klingt, sind wir damit vielen Tieren deutlich unterlegen. Hunde beispielsweise sind in der Lage, schätzungsweise eine Million verschiedener Duftreize zu differenzieren.
Verlockung und Warnung
Die Besonderheit der menschlichen Fährtensuche: Vor allem die Hirnareale Hypothalamus, Hippocampus und Limbisches System werten die eingehenden Duftreize aus. Und weil diese Regionen vor allem im Zusammenhang mit starken Gefühlen
wie Angst, Ekel und Freude stehen, aber auch beim Abspeichern von Gedächtnisinhalten aktiv werden, kann ein Duft oder eben auch ein übler Gestank heftige Reaktionen und Assoziationen in uns auslösen. Das System hat sich über Jahrtausende hinweg vor allem bei der Nahrungsaufnahme bewährt – als Anreiz und Alarmanlage zugleich. Steigen uns verheißungsvolle Aromen in die Nase, meldet das Gehirn nämlich sofort: Geschmacksknospen vorbereiten, hier gibt‘s was Gutes! Und funken die Riechzellen einen verdorbenen, fauligen oder muffigen Geruch, ist klar: Finger weg, das ist ungenießbar!
Immer der Nase nach
„Den kann ich nicht riechen!“ – diese Redensart weist auf eine weitere wichtige Funktion unseres nasalen Spürsinns hin. Denn löst ein Gegenüber bei uns (zumindest innerliches) Naserümpfen aus, wird bei uns weder Sympathie, noch ein
Gefühl von Verliebtheit entstehen können. Wissenschaftler gehen davon aus, dass der Körpergeruch zum großen Teil genetisch festgelegt ist und dass ausströmende Botenstoffe, genannt Pheromone, uns auf subtile Weise Informationen über das genetische Profil anderer Menschenvermitteln. Feind, Freund oder sogar möglicher Sexualpartner? All diese Entscheidungen treffen wir unbewusst mithilfe eines eigenen Rezeptorsystems, dem Vomeronasalen Organ in der Nasenscheidewand. Spätestens jetzt wird klar: So unterschätzt der Riechsinn sein mag – er übertrumpft Sehen und Hören in mancher Hinsicht deutlich.
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